Wie viel Blei steckt eigentlich in einer Keramiktasse?

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von: Magdalena Köhler, Natalie Stark

Auf Weihnachts- und Krämermärkten gibt es jedes Jahr wieder bunte, mit verschiedenen Mustern bedruckte Tassen, Teller, Schüsseln und vieles mehr aus Keramik. Individuelle Keramik von kleinen Manufakturen ist wieder im Trend – wer hat sich noch keine schöne Schüssel auf einem Keramikmarkt gekauft? Was kaum einer weiß: Alle diese Keramik-Produkte, welche mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, brauchen eine sogenannte Konformitätserklärung. Diese muss beim Einzelhändler vorliegen, aber nur auf Anfrage ausgehändigt werden. Was jedoch noch viel wichtiger ist, wie sieht es eigentlich mit den Grenzwerten für Blei und Cadmium aus? Bei allen untersuchten Keramikgegenständen wurden die aktuell gültigen Grenzwerte eingehalten. Diese sind jedoch veraltet und das Bundesinstitut für Risikobewertung hat bereits 2005 in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die Grenzwerte erniedrigt werden müssen.

Untersuchung der Blei- und Cadmiumlässigkeit

Jedes Jahr untersuchen wir bei Lebensmittel­bedarfsgegenständen aus Keramik die Blei- und Cadmiumlässigkeit. Verbindungen aus Cadmium und Blei können in der Glasur der Keramikwaren verwendet werden und sind gesundheitlich bedenklich. Im Jahr 2022 wurden insgesamt 20 Proben aus Keramik untersucht. Hierbei handelte es sich um Geschirrsets und Becher für Kinder und um Teekannen. Die rechtlichen Vorgaben der Bedarfsgegenständeverordnung wurden von allen untersuchten Proben erfüllt. Jedoch wurden die zugrunde liegenden Grenzwerte bereits 1984 festgelegt und entsprechen nicht mehr neuesten toxikologischen Einstufungen.

 

Grenzwerte entsprechen nicht mehr dem heutigen Stand der Technik

So hat schon im Jahr 2005 das Bundesinsittut für Risikobwertung (BfR), insbesondere mit Blick auf die erhöhte Empfindlichkeit von Kindern, in seiner Stellungnahme dafür plädiert, die Grenzwerte drastisch zu senken. Zusätzlich wies das BfR darauf hin, dass es technisch möglich ist, Erzeugnisse mit wesentlich geringeren Schwermetallabgaben herzustellen. Ebenso hat das BfR im Rahmen seiner Stellungnahme Nr. 043/2020 für die Elemente Cadmium, Blei und Kobalt einen duldbaren expostitionsbezogenen Ansatz abgeleitet. Als duldbare flächenbezogenen Abgabe für Flachware, wie Teller, wurde im ersten Freisetzungsversuch für Blei ein Wert von 0,01 mg/dm² abgeleitet (siehe Tabelle 1). Zum Vergleich: die Grenzwerte der Bedarfsgegenständeeverordnung liegen deutlich höher – nämlich bei 0,8 mg/dm² für Blei und 0,07 mg/dm² für Cadmium. Bereits 2012 ist die EU-Kommission mit einem Verordnungsentwurf und deutlich niedrigeren Grenzwerten gestartet. Jedoch ist immer noch keine Einigung in Sicht.

 

Tabelle 1: Übersichtliche Darstellung der Grenzwerte der Bedarfsgegenständeverordnung (oben) im Vergleich zu den Empfehlungen des BfR (unten) am Beispiel von nicht füllbaren Gegenständen
Nicht füllbare Gegenstände und füllbare Gegenstände mit einer Fülltiefe bis 25 mm (wie z. B. Teller)
Blei
Cadmium
Cobalt
Bedarfsgegenstände-VO, zu § 8 Abs. 3 i. V. m. Anlage 6
0,8 mg/dm²
0,07 mg/dm²
-
BfR Stellungnahme Nr. 043/2020 vom 21. September 2020
0,01 mg/dm²
0,007 mg/dm²
0,032 mg/dm²

 

Von den 20 untersuchten Proben wurden die maximal duldbaren Freisetzungswerte des BfR von insgesamt fünf Proben überschritten.

 

Rechtliche Vorgaben für die Konformitätserklärung

Zusätzlich dürfen Lebensmittelbedarfsgegenstände aus Keramik nach der Bedarfsgegenständeverordnung gewerbsmäßig nur in den Verkehr gebracht werden, wenn ihnen eine schriftliche Erklärung in deutscher Sprache (Konformitätserklärung, KE) beigefügt ist, in der bescheinigt wird, dass sie den rechtlichen Anforderungen entsprechen.

 

KE muss dem Käufer nicht mehr ausgehändigt werden

Im Jahr 2017 hat sich der Arbeitskreis der Lebensmittelsachverständigen (ALS) mit diesem Thema auseinandergesetzt und ist zu dem Schluss gekommen, dass die KE nicht unaufgefordert dem Endverbraucher ausgehändigt werden muss. Eine KE für einen Lebensmittelbedarfsgegenstand aus Keramik muss jedoch im Einzelhandel vorliegen. Werden Lebensmittelbedarfsgegenstände aus Keramik online erworben, so muss die KE mindestens auf der Homepage abrufbar sein, falls sie nicht jeder Sendung beigefügt wird (ALS-Stellungnahme Nr. 2017/16).

 

Infokasten

Was sollte eine KE für Keramik beinhalten?

Die Erklärung muss vom Hersteller oder, sofern dieser nicht in der Europäischen Gemeinschaft ansässig ist, dem in der Europäischen Gemeinschaft ansässigen Einführer ausgestellt sein und folgende Angaben enthalten:

  1. Name und Anschrift des Herstellers und, sofern dieser nicht in der Europäischen Gemeinschaft ansässig ist, auch des Einführers,
  2. Identität des Lebensmittelbedarfsgegenstandes aus Keramik,
  3. Datum der Erstellung der Erklärung und
  4. die Bestätigung, dass die Anforderungen der Bedarfsgegenständeverordnung und der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 eingehalten werden.

 

Merkblatt "Lebensmittelbedarfsgegenstände aus Keramik?"

 

Fazit

Das CVUA Stuttgart weist seit 2016 darauf hin, dass die aktuell nach Bedarfsgegenständeverordnung immer noch geltenden Grenzwerte veraltet sind und dass Lebensmittelbedarfsgegenstände, die eine nachweisbare Blei- oder Cadmiumlässigkeit aufweisen (für Blei 0,005 mg/L und Cadmium 0,001 mg/L), nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen. 2022 waren es insgesamt fünf von 20 Proben. In diesen Fällen empfehlen wir den Hersteller über diesen Sachverhalt zu informieren und aufzufordern, Maßnahmen zu ergreifen, um die Blei- und Cadmiumlässigkeit auf ein möglichst niedriges Niveau zu senken. Im Sinne des Verbraucherschutzes plädieren wir regelmäßig für die Absenkung der Grenzwerte, leider erweist sich die Seite der Industrie, die auch bei der Diskussion teilnimmt, als sehr hartnäckig.

 

Quellen

[1] BedGgstV: Bedarfsgegenständeverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Dezember 1997 (BGBl. 1998 I S. 5), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 2. Dezember 2021 (BGBl. I S. 5068)

[2] Stellungnahme des Arbeitskreises Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder und des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (ALS) Nr. 2017/16

[3] VO (EG) 1935/2004: Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004 über Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen und zur Aufhebung der Richtlinien 80/590/EWG und 89/109/EWG (ABl. L 338/4), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2019/1381 vom 20. Juni 2019 (ABl. L 231/1)

[4] BfR: Geschirr aus Keramik: BfR empfiehlt niedrigere Freisetzungsmengen für Blei und Cadmium, Stellungnahme Nr. 043/2020 vom 21. September 2020

Quelle: https://www.ua-bw.de/

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