Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) in Bodenseefischen – ein Schadensfall in 2021 und Höchstgehalte seit 2023

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Bereits im Jahr 2020 hat das CVUA Freiburg ein Untersuchungsprogramm zum Nachweis von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) in Fischen aus dem Ober- und Untersee des Bodensees durchgeführt und die Ergebnisse in einem Beitrag zusammengefasst.

Der Schadensfall am Bodensee

Ende 2020 und Anfang 2021 ereignete sich ein Schadensfall im Kanton St. Gallen (Schweiz), bei dem unzulässigerweise Perfluoroktansulfonsäure (PFOS)-haltiger Feuerlöschschaum in den Obersee eingeleitet wurde. Laut Berichten sind am 29. Dezember 2020 und 13. Januar 2021 während der Wartungsarbeiten an einer Brandschutzanlage eines Aluminiumherstellers insgesamt ca. 10 kg PFOS in den Bodensee gelangt. Im Januar 2021 wurde der Schaum von der Fischereiaufsicht auf der Wasseroberfläche entdeckt und der Vorfall rückte in das Interesse der Öffentlichkeit. [1]

Um zu überprüfen, ob dieser Vorfall einen Einfluss auf den PFAS-Gehalt in den Bodenseefischen hat, wurden im Jahr 2022 erneut Fischproben aus dem Bodensee erhoben und die Ergebnisse mit den Gehalten aus dem Untersuchungsprogramm 2020 (vor dem Schadensfall) verglichen.

Untersuchungsprogramm 2022

Im Zeitraum zwischen Mai bis September 2022 wurden erneut 110 Fischproben aus dem Bodensee erhoben. Die Klassifizierung der Proben ist in Tabelle 1 und die Fanggebiete der Fische zusätzlich in Abbildung 1 aufgeführt. In 2022 wurden sechs Fischarten beprobt, während es in 2020 drei waren.

 

Tabelle 1: Überblick über die erhobenen Fischproben (Vergleich 2020 und 2022)

  Untersuchungsprogramm Untersuchungsprogramm
  2020 2022
Fischart Anzahl Größenklasse Fanggebiet Anzahl Größenklassen Fanggebiet
Aal nicht beprobt 5 - Obersee
5 - Untersee
Barsch 12 A (klein) Obersee 5 A (klein) Obersee
8 B (mittel) Obersee 5 B (mittel) Obersee
9 A (klein) Untersee 5 A (klein) Untersee
11 B (mittel) Untersee 5 B (mittel) Untersee
(Blau-) Felchen* - - - 5 A (klein) Obersee
28 B (mittel) Obersee 5 B (mittel) Obersee
32 C (groß) Obersee 5 C (groß) Obersee
- - - 5 A (klein) Untersee
12 B (mittel) Untersee 5 B (mittel) Untersee
8 C (groß) Untersee 5 C (groß) Untersee
Gangfisch* nicht beprobt 5 A (klein) Obersee
5 B (mittel) Obersee
5 C (groß) Obersee
Hecht nicht beprobt 4 A (klein) Obersee
5 B (mittel) Obersee
5 A (klein) Untersee
Rotauge nicht beprobt 5 A (klein) Obersee
5 B (mittel) Obersee
5 C (groß) Obersee
1 A (klein) Untersee
5 B (mittel) Untersee
Schleie 5 A (klein) Untersee nicht beprobt
9 B (mittel) Untersee
6 C (groß) Untersee

* Bei Blaufelchen und Gangfischen handelt es sich jeweils um Felchenarten. Blaufelchen leben eher im uferfernen Freiwasser, während Gangfische zumindest teilweise in ufernahen Gebieten leben. Morphologisch sind sie allerdings kaum zu unterscheiden.

 

Abbildung 1: Übersicht der Fanggebiete (rote Pfeile) und des Schadensfalls (Bildquelle: Geoportal Baden-Württemberg)

Abbildung 1: Übersicht der Fanggebiete (rote Pfeile) und des Schadensfalls (Bildquelle: Geoportal Baden-Württemberg)

Ergebnisse

Allgemein

In den 110 untersuchten Proben in 2022 konnten 17 der 26 untersuchten PFAS-Einzelsubstanzen nachgewiesen werden. Im Vergleich dazu wurden im Jahr 2020 in 140 Fischproben 12 PFAS-Einzelsubstanzen nachgewiesen. In allen Fischproben konnte PFOS mit einem Median-Gehalt von 5,4 µg/kg bestimmt werden (2020: Median 10 µg/kg). In Tabelle 2 sind die in der jeweiligen Fischart nachgewiesenen Einzelsubstanzen in ihrem Minimal-, Maximal-, Median- und mittleren Gehalten aufgeführt.

 

Tabelle 2: PFAS-Befunde in Fischfiletproben aus dem Bodensee in µg/kg (Untersuchungsprogramm 2022).
Min = Minimalgehalt, Max = Maximalgehalt, MW = Mittelwert

Ist der PFAS-Gehalt in Bodenseefischen aufgrund des Schadensfalls angestiegen?

Aufgrund ihrer Relevanz für die Bodenseefischerei, wurden Barsche und Blaufelchen sowohl im Jahr 2020 als auch im Jahr 2022 beprobt und untersucht. Folglich konnte anhand dieser beiden Fischarten ein Vergleich der PFAS-Gehalte erfolgen. In Abbildung 2 sind die mittleren Gehalte von PFOS, der Summengehalt von PFOS, PFOA, PFNA und PFHxS sowie der Summengehalt aller analysierten PFAS (∑26 PFAS) in Barschen und Blaufelchen aus den Jahren 2020 und 2022 gegenübergestellt.

Die Daten wurden statistisch mittels GLM (general linear model) ausgewertet. Mit Hilfe von Post-Hoc-Tests (hier Kontrast-Test) wurde untersucht, ob sich die beiden Erhebungsjahre für die Fischarten signifikant unterscheiden. Der statistische Vergleich der Modell-basierten Mittelwerte zeigt einen signifikanten Rückgang der PFAS-Belastung beim Felchen, gekennzeichnet durch *, während diese Entwicklung beim Barsch nicht zu beobachten ist, der eine gleichbleibende Belastung aufweist. Damit kann zumindest aufgrund der vorliegenden Daten davon ausgegangen werden, dass für die Fischarten Barsch und Blaufelchen eine Zunahme der PFAS-Belastung aufgrund des Schadensfalls nicht anzunehmen ist. Die signifikante Abnahme der PFAS-Gehalte in den Felchen liegt vermutlich im Fressverhalten der Tiere begründet. Höchstwahrscheinlich aufgrund von Nahrungskonkurrenz mit den Stichlingen haben die Felchen im Jahr 2022 deutlich weniger Nahrung, und damit auch weniger PFAS, aufgenommen.

 

PFAS-Konzentration in Abhängigkeit von der Fischart und dem Fanggebiet

Wie bereits für das Untersuchungsprogramm im Jahr 2020 wurde auch für die Beprobung aus 2022 die Konzentration an PFAS in Abhängigkeit von der Fischart und Probenahmestelle untersucht. Im Gegensatz zu 2020 erfolgte in 2022 eine statistische Auswertung.

 

Fischart

Der statistische Vergleich der modell-basierten Mittelwerte der PFAS-Gehalte zeigt einen stark signifikanten Einfluss der Fischart. Das heißt, Aal und Barsch weisen signifikant höherer PFAS-Gehalte im Vergleich zu den weiteren untersuchten Fischarten (Blaufelchen, Gangfisch, Rotauge, Hecht) auf. Arten, die sich signifikant unterscheiden, sind durch unterschiedliche Buchstaben in der Abbildung 3 gekennzeichnet.

 

Abbildung 3: Mittlere und maximale PFAS-Gehalte (∑26 PFAS) der untersuchten Fischarten im Bodensee (Ober- und Untersee) und EU-Höchstgehalte für die Summe aus PFOS, PFOA, PFNA und PFHxS gemäß Verordnung (EU) 2023/915. Arten, die sich signifikant unterscheiden (p < 0,0001 nach Tukey´s HSD-Test), sind durch unterschiedliche Buchstaben gekennzeichnet.

Abbildung 3: Mittlere und maximale PFAS-Gehalte (∑26 PFAS) der untersuchten Fischarten im Bodensee (Ober- und Untersee) und EU-Höchstgehalte für die Summe aus PFOS, PFOA, PFNA und PFHxS gemäß Verordnung (EU) 2023/915. Arten, die sich signifikant unterscheiden (p < 0,0001 nach Tukey´s HSD-Test), sind durch unterschiedliche Buchstaben gekennzeichnet.

 

Fanggebiet

Für die Fischarten Aal, Barsch und Rotauge wurde ein statistischer Vergleich zwischen den Fanggebieten Obersee und Untersee durchgeführt. Lediglich beim Barsch konnte ein signifikanter Unterschied zwischen den gemessenen PFAS-Gehalten festgestellt werden. Barsche aus dem Untersee weisen signifikant niedrigere PFAS-Gehalte auf, als Barsche aus dem Obersee. Dies entspricht auch den Beobachtungen aus dem Jahr 2020 [2].

 

Änderungen hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung

Bisher wurde die Belastung von Fischen mit PFAS in Baden-Württemberg anhand von toxikologischen Referenzwerten bewertet. Am 01. Januar 2023 traten jedoch mit der Änderungsverordnung (EU) 2022/2388 erstmals Höchstgehalte für PFOS, PFOA, PFNA und PFHxS sowie für die Summe der vier Verbindungen (∑PFOS, PFOA, PFNA, PFHxS) in bestimmten tierischen Lebensmitteln in Kraft [3]. In Tabelle 3 sind die gemäß der inzwischen gültigen EU-Verordnung 2023/915 geltenden Höchstgehalte für die in 2022 untersuchten Fischarten dargestellt.

 

Tabelle 3: Höchstgehalte für Muskelfleisch von Fischen gemäß Verordnung (EU) 2023/915.

  Höchstgehalt [µg/kg]
  PFOS PFOA PFNA PFHxS ∑PFOS, PFOA, PFNA, PFHxS
Kategorie 1: Muskelfleisch von Fischen, allgemein 2 0,2 0,5 0,2 2
Kategorie 2: Muskelfleisch von Fischen, bspw. Hecht 7 1 2,5 0,2 8
Kategorie 3: Muskelfleisch von Fischen, bspw. Aal, Rotauge, Felchen, Barsch 35 8 8 1,5 45

Infokasten zu Höchstgehalten:

In der seit 25. April 2023 gültigen Verordnung (EU) 2023/915 über Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln [3] sind in Anhang I Höchstgehalte für PFOS, PFOA, PFNA und PFHxS sowie für die Summe der vier Verbindungen in Fisch festgelegt. In der Verordnung erfolgt eine Unterteilung der Höchstgehalte in drei Kategorien (niedrig, mittel, hoch). Bekanntermaßen höher belastete Fischarten, wie z.B. Aal, Zander oder Felchen, wurden der dritten (höchsten) Kategorie zugeordnet. Fischarten, die weder der zweiten noch der dritten Kategorie zugeordnet wurden oder zur Herstellung von Beikost für Säuglingsnahrung und Kleinkinder bestimmt sind, fallen unter die erste Kategorie mit den niedrigsten Höchstgehalten. Da die derzeit festgelegten Höchstgehalte auf der Verteilung aktueller Gehaltsdaten beruhen und nicht nur basierend auf toxikologischen Daten abgeleitet wurden, kann es zukünftig zu Anpassungen der Höchstgehalte kommen, sofern neue Daten vorliegen.

Zusammenfassung und Bedeutung der Ergebnisse

Aus dem Vergleich der Untersuchungsergebnisse der Jahre 2020 und 2022 geht hervor, dass, trotz des Schadensfalls, bei dem es zu einer unzulässigen Einleitung des PFOS-haltigen Feuerlöschschaums kam, die PFAS-Konzentration in den Felchen im Jahr 2022 gegenüber dem Jahr 2020 signifikant gesunken ist. Als Grund hierfür wird die verminderte Nahrungsaufnahme der Felchen in den Sommermonaten im Jahr 2022 vermutet. Darüber hinaus ist anzumerken, dass die bei dem Schadensfall eingeleitete Menge PFOS unter Berücksichtigung des Volumens des Bodensees vergleichsweise gering ist. Aufgrund der bereits vorhandenen PFOS-Grundbelastung des Sees sollte der Schadensfall keine messbaren Einflüsse auf die Belastung der Fische mit sich gebracht haben.

Es ist weiterhin festzuhalten, dass, auch mit Einführung der neuen EU-Höchstgehalte, 98 % der im Jahr 2022 beprobten Fische als Lebensmittel verkehrsfähig gewesen wären. Tabelle 4 stellt eine Übersicht dar, die die Anzahl der untersuchten Proben der Anzahl der Überschreitungen der Höchstgehalte gegenüberstellt. Lediglich zwei Hecht-Proben (Hecht I und II) überschreiten, auch nach Abzug der Messunsicherheit, den Höchstgehalt für PFOS und wären somit als nicht verkehrsfähiges Lebensmittel einzustufen.

 

Tabelle 4: Übersicht der untersuchten Fische, den zugehörigen EU-Höchstgehalten und Anzahl der Überschreitungen.

Fischart Anzahl Proben Höchstgehalt* in µg/kg Anzahl der Überschreitungen
    PFOS PFOA PFNA PFHxS Summe**  
Aal 10 35 8 8 1,5 45 0
Barsch 20 35 8 8 1,5 45 0
Felchen 30 35 8 8 1,5 45 0
Gangfisch 15 35 8 8 1,5 45 0
Hecht 14 7 1 2,5 0,2 8 2
Hecht I   12 ± 3,2 n.b. 0,09 n.b. 13 ± 3,2  
Hecht II   9,6 ± 2,4 n.b. 0,05 n.b. 9,7 ± 2,4  
Rotauge 21 35 8 8 1,5 45 0

* Gemäß Verordnung (EU) 2023/915

** Summe aus PFOS, PFOA, PFNA und PFHxS

n.b. = nicht bestimmbar

 

Weitere Informationen

[1] Bericht Süddeutsche Zeitung vom April 2022

[2] ua-bw März 2021: Nachweis von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) in Fischen aus dem Bodensee – Ergebnisse eines Untersuchungsprogramms aus dem Jahr 2020

[3] Verordnung (EU) 2023/915 der Kommission vom 25. April 2023 über Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006

 

Quelle: https://www.ua-bw.de/

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