Mit Urteil vom 22.02.2024 hat der EuGH entschieden, dass auch ein Mittel gegen den Befall von Lebensmitteln tierischen Ursprungs mit Listeria monocytogenes einer Zulassung durch die EU-Kommission als Dekontaminationsmittel nach der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 bedarf. Die Entscheidung ist hier abrufbar.

Sachverhalt

Ein niederländisches Unternehmen stellt ein Produkt auf Phagenbasis her, das einen Befall von verzehrfertigen Lebensmitteln tierischen Ursprungs wie Fischerei-, Milch- und Fleischerzeugnissen mit Listeria monocytogenes verhindern soll. Der Handelsname dieses Produkts lautet Listex™ P100.

Im Jahr 2015 beantragte das Unternehmen bei der Kommission die Zulassung als Dekontaminationsmittel für verzehrfertige Lebensmittel tierischen Ursprungs gemäß Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004. Die Kommission holte hierzu ein Gutachten der EFSA ein und arbeitete im Folgenden einen Verordnungsentwurf für die Zulassung aus. Da der Verordnungsentwurf nicht die erforderliche politische Unterstützung im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel erhielt, teilte die Kommission dem Unternehmen mit, dass sie keine weitere Prüfung des Zulassungsantrages vornehme.

In der Folge argumentierte der niederländische Inverkehrbringer sodann, dass es sich bei seinem Produkt nicht um ein Dekontaminationsmittel im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 handele, sondern um einen Verarbeitungshilfsstoff, der nicht in den Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 falle. Die EU-Kommission wiederholte daraufhin lediglich, dass sie den ursprünglich eingereichten Zulassungsantrag als Dekontaminationsmittel nicht weiter prüfen werde.

Gleichwohl forderte der niederländische Inverkehrbringer die Kommission auf, den Zulassungsantrag weiter zu prüfen und legte im Anschluss an die Entscheidung der EU-Kommission, den Antrag nicht weiter zu bearbeiten, eine Beschwerde bei der Europäischen Bürgerbeauftragten ein, die jedoch zurückgewiesen wurde. Im August 2019 erhob das Unternehmen Klage beim EuG und stellte einen Antrag auf vorläufigen Rechtschutz. Diesen Antrag wies der EuG mit Beschluss vom 26.09.2019 (Az.: T-568/19) zurück. In der Folge informierte die Kommission die Veterinärdienste der Mitgliedstaaten über ihre Auslegung, nach der Listex™ P100 in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 falle. Selbst bei einer etwaigen Einstufung als Verarbeitungshilfsstoff bedürfe das Produkt weiterhin einer Zulassung.

Im April 2020 beantragte der niederländische Inverkehrbringer sodann die Genehmigung für das Inverkehrbringen seines Produktes in Griechenland als Verarbeitungshilfsstoff für verzehrfertige Lebensmittel tierischen Ursprungs. Dieser Antrag wurde im Juni 2020 durch die griechische Lebensmittelüberwachungsbehörde abgelehnt. Daraufhin erhob der niederländische Inverkehrbringer Klage in Griechenland mit dem Ziel, das Produkt als Verarbeitungshilfsstoff anerkannt zu bekommen. Das mit der Entscheidung befasste griechische Gericht hat sodann das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof verschiedene Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Die erste Frage, die der EuGH zu beantworten hat, lautet, ob das Produkt ein Dekontaminationsmittel ist, das einer vorhergehenden Zulassung durch die EU-Kommission bedarf. Die zweite Frage lautet, ob das Produkt einen Lebensmittelzusatzstoff oder einen Verarbeitungshilfsstoff darstellt.

Entscheidung

Der EuGH hat klargestellt, dass es sich bei Listex™ P100 um ein Dekontaminationsmittel im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 handelt, für das eine vorherige Zulassung durch die EU-Kommission erforderlich ist.

Nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 dürfen Lebensmittelunternehmer zum Zweck der Entfernung von Oberflächenverunreinigungen von Erzeugnissen tierischen Ursprungs keinen anderen Stoff als Trinkwasser – oder sauberes Wasser, wenn dessen Verwendung erlaubt ist – verwenden, es sei denn, die Verwendung des Stoffes ist von der EU-Kommission genehmigt worden.

Das niederländische Unternehmen vertrat die Auffassung, dass die Regelung nur auf die Entfernung von Oberflächenverunreinigungen in Schlachthöfen anwendbar sei. Dem hielt der EuGH entgegen, dass sich die Regelung auf alle Lebensmittelunternehmer und alle Lebensmittel tierischen Ursprungs beziehe. Lebensmittelunternehmer sei nicht nur der Betreiber eines Schlachthofs. Bei den Lebensmitteln, auf die das in Rede stehende Produkt appliziert werden soll, handelt es sich auch um Erzeugnisse tierischen Ursprungs.

Schließlich kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass das Produkt zur Entfernung von Verunreinigungen diene. Das niederländische Unternehmen argumentierte diesbezüglich, das Produkt sei nicht dazu bestimmt, einen Befall mit Listeria monocytogenes zu beseitigen. Nach dem eigenen Vortrag des Inverkehrbringers soll das in Rede stehende Produkt einem Befall mit Listeria monocytogenes entgegenwirken, ihn also verhindern, und die Einhaltung der mikrobiologischen Kriterien nach der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 sicherstellen.

Insoweit führt der EuGH aus, dass die Verwendung des Mittels damit bezwecke, dass die zulässigen mikrobiologischen Kontaminationsgrenzwerte nicht überschritten werden. Sodann verweist der EuGH auf den Begriff der Kontamination, der in Art. 2 Abs. 1 Buchst. f) der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 als das Vorhandensein oder das Hereinbringen einer Gefahr definiert wird.

Für den Gefahrbegriff verweist der Gerichtshof auf die Definition in Art. 3 Nr. 14 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Gefahr ist danach ein biologisches, chemisches oder physikalisches Agens in einem Lebensmittel oder Futtermittel oder ein Zustand eines Lebensmittels oder Futtermittels, der eine Gesundheitsbeeinträchtigung verursachen kann.

Demnach sei das beabsichtigte Ziel der Verwendung, nämlich die Entwicklung von Listeria monocytogenes auf einen höheren als nach den gesetzlichen Vorschriften erlaubten Wert zu verhindern, im vorliegenden Fall die Entfernung einer Verunreinigung. Denn das Vorliegen einer Verunreinigung hänge nicht davon ab, ob die nach der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 zulässigen Werte für Listeria monocytogenes überschritten werden oder nicht.

Außerdem erfasse der Begriff Verunreinigung das Risiko des Hereinbringens einer Gefahr des Krankheitserregers Listeria monocytogenes in jeder Phase der Herstellung, Verarbeitung und Verpackung von Lebensmitteln tierischen Ursprungs. Denn die Verordnung begrenze den Zeitpunkt, zu dem eine solche Verunreinigung zu entfernen ist, nicht.

Im Übrigen weist der EuGH darauf hin, dass ein Ziel der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 darin bestehe, den Verbrauchern gegenüber ein hohes Niveau in Bezug auf die Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten. Zudem ergebe sich aus den Erwägungsgründen der Verordnung deutlich, dass der Unionsgesetzgeber die Gesundheit der Verbraucher zu seinem vorrangigen Anliegen macht, indem es darin heißt, dass detaillierte Hygienevorschriften für Erzeugnisse tierischen Ursprungs beibehalten und, falls zur Sicherstellung des Verbraucherschutzes erforderlich, verschärft werden müssen.

Deshalb fasst der EuGH zusammen, dass sowohl die Systematik der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 als auch der mit ihr verfolgte Zweck erfordern, dass alle Verunreinigungsquellen in die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften einbezogen werden. Deshalb sei auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass für die Verwendung eines Produktes wie Listex™ P100 zur Verhinderung des Befalls mit dem bakteriellen Krankheitserreger Listeria monocytogenes bei verzehrfertigen Lebensmitteln tierischen Ursprungs nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 eine Genehmigung durch die EU-Kommission erforderlich ist.

Da die zweite Frage zur Einordnung des in Rede stehenden Produktes als Zusatzstoff oder Verarbeitungshilfsstoff nur für den Fall gestellt worden ist, dass der Gerichtshof eine Zulassung als Dekontaminationsmittel nicht für erforderlich hält, musste der EuGH die zweite Frage nicht mehr beantworten. Zu der Frage, ob es sich also um einen Zusatzstoff oder einen Verarbeitungshilfsstoff handelt, hat der EuGH folglich keine Aussage getroffen.

Anmerkung

Mit der EuGH-Entscheidung ist klargestellt, dass der Einsatz von Listex™ P100 zum jetzigen Zeitpunkt mangels Zulassung durch die EU-Kommission nicht zulässig ist.

Das ist bedauerlich, da die Kontamination von verzehrfertigen Lebensmitteln mit Listeria monocytogenes ein Problem ist, das die Lebensmittelwirtschaft und insbesondere die Hersteller und Inverkehrbringer von Lebensmitteln tierischen Ursprungs besonders beschäftigt.

Auch die Gerichte haben zu Kontaminationen mit Listeria monocytogenes schon mehrfach Entscheidungen getroffen. Generell ist aber die Tendenz zu erkennen, dass die Gerichte bei Themen, die die Gesundheit der Verbraucher zum Gegenstand haben, sehr restriktiv und vorsichtig entscheiden.

Im Hinblick auf die Vermeidung von Kontaminationen von Lebensmitteln mit Listeria monocytogenes ist aus Anlass der vorgenannten Entscheidung auf die Leitlinie für Gute Verfahrenspraxis mit „Empfehlungen für Präventionsmaßnahmen gegen Listeria monocytogens in bestimmten Bereichen der Lebensmittelherstellung“ zu verweisen.

Redaktion: Sascha Schigulskz

Quelle: https://www.cibus-recht.de/