„VITAL 3.0“: Neue und aktualisierte Vorschläge für Referenzdosen von Lebensmittelallergenen

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Stellungnahme Nr. 015/2020 des BfR vom 9. März 2020


Für Menschen, die an Allergien gegen bestimmte Lebensmittel leiden, ist eine sachgerechte Lebensmittelkennzeichnung einschließlich der Nennung im Lebensmittel enthaltener allergener Inhaltsstoffe von großer Bedeutung. Die Hersteller sind nach EU-Recht dazu verpflichtet, die 14 wichtigsten Stoffe oder Erzeugnisse, die Allergien oder Unverträglichkeiten auslösen, im Zutatenverzeichnis von verpackten Lebensmitteln zu benennen. Im Gegensatz dazu bestehen für unbeabsichtigt in das fertige Lebensmittel geratene Spuren dieser allergenen Stoffe keine verbindlichen Regelungen für die Kennzeichnung. Dies führt häufig zu freiwilligen, vorsorglichen Angaben der Hersteller auf dem Lebensmitteletikett, wie z. B. „Kann Spuren von ; enthalten“ oder „Kann ; enthalten“. Für Personen, die von Allergien betroffen sind, können derartige vorsorgliche Angaben einerseits zu unnötigen Einschränkungen in der Lebensmittelauswahl führen, da letztlich offenbleibt, ob tatsächlich bestimmte Allergene in bedeutsamer Menge im fertigen Lebensmittel enthalten sind. Auf der anderen Seite ist bei Lebensmitteln ohne vorsorgliche Kennzeichnung nicht auszuschließen, dass unbeabsichtigterweise trotzdem problematische Allergenmengen in das Endprodukt gelangt sind. Mit Blick auf die derzeit unterschiedliche Handhabung einer lediglich freiwilligen Kennzeichnung möglicher Spuren von Allergenen wird die Frage diskutiert, ob nicht die Festlegung sogenannter Schwellenwerte für allergene Stoffe den Verbraucherschutz für betroffene Personen spürbar verbessern könnte. Ziel wäre dabei, dass bei Überschreitung dieser Schwellenwerte eine noch festzulegende Kennzeichnung der Produkte obligatorisch zu erfolgen hätte. Andererseits könnte in der Konsequenz bei Lebensmittelprodukten, in welchen die Schwellenwerte für unbeabsichtigt enthaltene Allergene nicht überschritten werden, auf rein vorsorglich gemeinte allgemeine Allergenhinweise einheitlich verzichtet werden. Eine wesentliche Voraussetzung für die Festsetzung derartiger Schwellenwerte ist die möglichst genaue Kenntnis über kritische Allergenmengen – vorliegend Referenzdosen genannt. Die bereits in der Vergangenheit veröffentlichten Vorschläge zu Referenzdosen wurden aktuell unter Verwendung von Daten aus klinischen Studien und mathematischen Berechnungen
für die wichtigsten Allergene von einem Expertengremium aktualisiert und ergänzt („VITAL Scientific Expert Panel“, VSEP). Mit den Werten soll der aktuelle wissenschaftliche Kenntnisstand möglichst genau bzw. realistisch dargestellt werden, ab welchen Allergenmengen bei von Allergien betroffenen Verbraucherinnen und Verbrauchern nach Verzehr mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit mit allergischen Reaktionen zu rechnen wäre. Weitere Aktualisierungen der Daten und Ableitungsmethoden bieten prinzipiell die Möglichkeit, dass die Werte in Zukunft noch weiterentwickelt und präzisiert werden können. Die neu vorgeschlagenen Referenzdosen wurden im Jahr 2019 unter dem Begriff „VITAL 3.0“ veröffentlicht. Daraus ergeben sich im Vergleich zur bisherigen Empfehlung „VITAL 2.0“ aus dem Jahr 2011 für einige der Stoffe neue oder aktualisierte Werte (siehe Tabelle auf Seite 9):

Für Ei, Milch und Shrimps wurden die Referenzdosen erhöht. Für Lupinen, Soja, Weizen und Sesam wurden die Werte gesenkt.Für Cashewnüsse, Sellerie, Fisch und Walnüsse wurden die Werte erstmals ermittelt. Für Erdnüsse, Haselnüsse und Senf bleiben die Referenzdosen unverändert. Die Wissenschaftler vom VSEP leiten in „VITAL 3.0“ für jedes der untersuchten Allergene eine bestimmte Auslösedosis ab, genannt „ED01“. Wenn im Lebensmittel der „ED01“-Wert nicht überschritten wird, geht man davon aus, dass 99 % der von der jeweiligen Allergie betroffenen Personen vor objektiv messbaren allergischen Reaktionen geschützt sind. Dabei betont das VSEP, dass bei einem kleinen Teil der übrigen etwa 1 % der Betroffenen unter Umständen auch schwerere allergische Reaktionen möglich sein können. Weiter einschränkend ist festzustellen, dass das Ausmaß der allergischen Reaktionen nicht sicher vorhersagbar ist. Daneben sind weiterhin offene Fragen und bestehende Unsicherheiten im Rahmen einer etwaigen Ableitung von Schwellenwerten zu vermerken.

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Mehr zum Gegenstand der Bewertung, Ergebnisse und Begründungen gibt es hier.

 

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