Rohmilch aus dem Automaten – ein Risiko?

Foto: von Charlotte May von Pexels

Milchautomaten, an denen Verbraucher zum Teil rund um die Uhr bequem Rohmilch erwerben können, liegen nicht erst in Zeiten der Coronapandemie im Trend. Die Milch direkt vom Hof trifft offensichtlich den Wunsch vieler Verbraucher nach frischen Lebensmitteln aus der Region. Für Milchvieh-haltende Betriebe stellen die Automaten eine alternative Absatzmöglichkeit für einen Teil ihrer Milch und damit eine potentielle zusätzliche Einnahmequelle dar.

Was ist Rohmilch?

Bei Rohmilch handelt es sich um unbehandelte Milch, die nur gefiltert und gekühlt, aber keinem Erhitzungsverfahren unterzogen worden ist. Die natürliche Bakterienflora der Milch, die vom Tier oder aus der Stallumgebung stammt, bleibt erhalten und damit auch das Risiko, dass krankmachende Keime (sog. Pathogene) darin enthalten sind.

Rechtliche Vorgaben?

Zum Schutz vor Infektionen ist die Abgabe von Rohmilch an den Verbraucher in Deutschland erst einmal grundsätzlich verboten. Unter bestimmten Voraussetzungen gibt es aber Ausnahmen von dieser Regel, wie z. B. die "ab Hof"-Abgabe über einen Rohmilchautomaten. Die Rohmilch, die über die Automaten abgegeben wird, ist ausschließlich zum Verzehr nach Abkochen gedacht und nicht für den rohen Verzehr. Der Erzeuger ist verpflichtet an der Abgabestelle den Hinweis „Rohmilch, vor dem Verzehr abkochen“ gut sichtbar und lesbar anzubringen.

Verbraucher, die partout nicht auf den Verzehr von roher Milch verzichten möchten, müssen zu "Vorzugsmilch" greifen. Diese wird im Gegensatz zur „Rohmilch ab Hof“ gesonderten mikrobiologischen Kontrollen unterzogen. In Hessen gibt es allerdings kaum noch Betriebe, die Vorzugsmilch in den Verkehr bringen.

Gesundheitliche Gefährdung durch Rohmilch aus dem Automaten?

Grundsätzlich besteht das Risiko, dass Rohmilch gesundheitsgefährdende Mikroorganismen enthält. Im Rahmen des sog. Zoonosen-Monitorings 2019 wurden in bis zu 5 % der rund 360 untersuchten Rohmilch-Proben Keime wie Campylobacter spp. und sog. Shigatoxin bildende Escherichia coli (STEC) nachgewiesen, die als potenziell krankmachend gelten. Etwa 10 % der Proben enthielten bestimmte multiresistente Bakterien wie ESBL/AmpC-bildende Escherichia coli (BVL, 2020).

Das konsequente Abkochen der Rohmilch tötet Bakterien und damit potentielle Krankheitserreger ab und ist daher die entscheidende Maßnahme zum Schutz vor entsprechenden Erkrankungen.

Piktogramm Verzehr von Rohmilch und damit verbundene mögliche Auswirkungen

 

Auch wurde in den letzten Jahrzehnten über den Nachweis von potentiell krebserregendem Aflatoxin M1 in Milch berichtet. Werden Futtermittel, die Mykotoxine (Schimmelpilzgifte), wie Aflatoxine B1, B2, G1 und G2, enthalten, an Kühe verfüttert, kann Aflatoxin M1 entstehen, welches in die Milch übergehen kann. Aflatoxin M1 stellt, bei entsprechend hohem Gehalt, ein geringes, aber mögliches Gesundheitsrisiko dar. Da bei Molkereimilch die Ware von vielen Betrieben gemischt und dadurch möglicherweise aflatoxinhaltige Milch eines Betriebes verdünnt wird, spielt diese Thematik bei Massenware in der Regel keine Rolle, möglicherweise aber bei Milch eines Einzelbetriebes, die über den Automaten abgegeben wird.

Ähnliches gilt für Polychlorierte Biphenyle, sog. PCB, und Dioxine, die als gesundheitsgefährdende Umweltkontaminanten gelten und sich in fettreichen tierischen Lebensmitteln und so auch in Rohmilch anreichern könnten.

Wie ist die Qualität der Rohmilch aus dem Automaten in Hessen?

Zuletzt wurde 2020/2021 die Rohmilch der in Hessen befindlichen Abgabeautomaten näher unter die Lupe genommen. Insgesamt wurden 75 Proben auf die krankmachenden Keime Salmonellen, Campylobacter, STEC und Listeria monocytogenes untersucht.  Zudem wurde die Gesamtkeimzahl, die Menge an Enterobacteriaceae und Escherichia coli geprüft sowie auf Dioxine und PCB und auf Aflatoxin M1 untersucht.

In 4 % der untersuchten Proben wurden krankmachende Keime nachgewiesen, einmal Campylobacter jejuni sowie in zwei Proben Listeria monocytogenes. Zudem erfolgte in zwei Proben der Nachweis von Listeria innocua. Dabei handelt es sich um Bakterien, die selbst nicht pathogen sind, aber als Hinweis auf das mögliche Vorkommen von krankmachenden Bakterien der Art Listeria monocytogenes zu werten sind. In allen diesen Fällen war der erforderliche Erhitzungshinweis am Automaten vorhanden. Bei korrekt durchgeführter Erhitzung der Rohmilch durch den Verbraucher wäre die mögliche Gesundheitsgefahr eliminiert.  

Weiterhin wurden in vier Fällen (rund 5 % der Proben) Hinweise auf hygienische Mängel im Umgang mit der Milch festgestellt (erhöhte Gehalte an Escherichia coli bzw. Enterobacteriaceae).  

In drei Fällen (4 %) fehlte der rechtlich zu fordernde Hinweis auf das Abkochen. Zudem fielen drei Automaten auf, bei denen die Betreiber Trinkbehälter neben den Automaten aufgestellt hatten bzw. Gefäße mit Getränkepulver. Solche Angebote bieten klare Anreize, das Abkochgebot zu unterlaufen und sind daher zu unterlassen.

Positiv zu berichten ist, dass erhöhte Gehalte an Aflatoxin M1 bzw. PCBs und Dioxinen in keinem Fall festgestellt wurden.

Was muss der Verbraucher beachten?

Wer gerne Rohmilch direkt vom Bauernhof kauft, muss einige Punkte beachten, um sich vor Infektionen mit krankmachenden Keimen zu schützen.

So sollte die Rohmilch nur in (spülmaschinen-)saubere Gefäße abgefüllt werden. Der anschließende Transport der Rohmilch sollte insbesondere in den Sommermonaten gekühlt erfolgen, um eine Vermehrung der Bakterien so weit wie möglich zu unterbinden. Vor dem Verzehr muss die Rohmilch sachgereicht abgekocht und anschließend so schnell wie möglich verbraucht werden. Für genauere Informationen wird auf das Merkblatt „Warum Sie Rohmilch abkochen sollten“ der Landesvereinigung Milch Hessen verwiesen.

Quelle: https://lhl.hessen.de/

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