Pläne im EU-Parlament: Künftig Warnhinweise auf Weinflaschen?

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Deutsche Winzer laufen Sturm gegen Pläne, auf Weinflaschen in der EU eine Warnung vor Gesundheitsrisiken vorzuschreiben. Kommende Woche will das Europäische Parlament darüber beraten.

Von Carina Kopp, SWR Mainz

Wenn Klaus Schneider im Verkaufsraum seines Weingutes im pfälzischen Dirmstein seine Flaschen sortiert, schaut er in diesen Tagen vor allem besorgt auf die Etiketten. Schneider ist auch der deutsche Weinbaupräsident und befürchtet wegen Plänen der EU, dass er künftig Warnhinweise über das Gesundheitsrisiko von Alkoholkonsum auf Weinflaschen drucken muss. "Das wäre fatal auch für das Design, aber auch für die Wahrnehmung durch den Verbraucher, durch den Kunden", sagt er.

Wohl keine Schockbilder wie beim Tabak

Der Sonderausschuss zur Krebsbekämpfung des EU-Parlaments fordert - im Zuge einer Gesamtstrategie im Kampf gegen Krebs in Europa - diese Warnhinweise für alle alkoholischen Getränke. Denn die Mitglieder sind überzeugt, dass Alkohol ein erhöhtes Krebsrisiko darstellt und stützen sich dabei auf Aussagen der Weltgesundheitsorganisation WHO. So seien "in Europa schätzungsweise zehn Prozent aller Krebsfälle bei Männern und drei Prozent aller Krebsfälle bei Frauen auf Alkohol zurückzuführen", heißt es in dem Bericht, über den vermutlich am 15. Februar im EU-Parlament beraten werden soll. Vor allem gehe es um Mundhöhlen-, Rachen-, Kehlkopf-, Speiseröhren- oder Brustkrebs. Das Ziel sei, den schädlichen Alkoholkonsum bis 2025 um mindestens zehn Prozent zu reduzieren.

Die Flaschenetiketten sind ein kleiner Baustein dieser Pläne. Auf der Rückseite sollen dann außer Gesundheitswarnungen auch Nährwerte und Inhaltsstoffe abgedruckt werden. Wie genau das aussehen soll, ist noch nicht klar. Aber ganz so drastisch wie bei Tabak sollen die Warnungen wohl nicht werden. Auf Zigarettenpackungen sind seit 2016 Schockbilder wie Raucherlungen und Botschaften wie "Rauchen kann tödlich sein" Pflicht.

Es geht auch um wirtschaftliche Interessen

In den USA sind solche Warnungen bei Alkohol längst Praxis - mit mäßigem Erfolg, wie ältere Studien zeigen. Trotzdem ist die Wein-Branche besorgt. Weinbaupräsident Schneider kann sich vorstellen, dass sich Menschen hierzulande davon abschrecken lassen: "Insgesamt ist es durchaus ein Risiko, dass das Image des Weines einen Schaden nehmen könnte. Das würde für die Winzer bedeuten, dass es möglicherweise eine Reduzierung des Weinkonsums gäbe. Das würde natürlich mit Einkommensverlusten einhergehen." Auch negative Auswirkungen für Gastronomie und Tourismus könnten die Folge sein, so seine Befürchtung.

Es gehe nicht nur um einen kleinen Warnhinweis auf der Rückseite einer Weinflasche, sondern um handfeste wirtschaftliche Interessen und auch um öffentliche Förderungen, sagt Werner Eckert, SWR-Experte für Umwelt und Ernährung. Hinter dem Protest der Winzer verberge sich "die Angst, dass es ihnen gehen könnte wie der Tabakindustrie. Dass man sagt, wenn einmal festgestellt ist, dass Wein Alkohol ist und Alkohol schädlich ist, dann stellt sich früher oder später die Frage, wieso die Europäische Union den Anbau von Wein fördert - mit Geld, mit Subventionen, wo doch das Produkt selbst schädlich ist." Letztlich fürchten die Betriebe auch um die Subventionen für den Weinbau.

Werbung für "moderaten Konsum"

Die mit Abstand größte Rebfläche Deutschlands weist laut Statistischem Bundesamt mit 64.524 Hektar Rheinland-Pfalz aus. Die dort zuständige Weinbau-Ministerin Daniela Schmitt von der FDP sorgt sich ebenfalls, dass der Weinbau mit den neuen Regeln ernsthaft unter Druck geraten könne: "Wir erleben, dass unsere Weine Kulturgut sind, sie sind Genussmittel. Und in einem moderaten Konsum durchaus bereichernd." Das Bundeslandwirtschaftsministerium will sich nicht zu den Plänen äußern, solange noch nichts feststehe.  

Verbraucherschützer sehen in dem Vorstoß viel Gutes - und begrüßen die Transparenz bei Nährwerten und Inhaltsstoffen, die bei anderen Nahrungsmitteln längst Pflicht ist. So könne sich der Verbraucher künftig besser selbst informieren und dann bewusster entscheiden, ob er Wein oder Bier trinken möchte, sagt Rita Rausch, Beraterin für Lebensmittel und Ernährung bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Einen Warnhinweis vor Gesundheitsgefahren von Alkohol allein halte sie aber für wenig effektiv. "Mit begleitenden Informationen zum Beispiel einer Kampagne nützt das den Verbrauchern aber schon was." Dabei gehe es ihr nicht nur um die Gefahren von Krebs, sondern um alle Folgeerkrankungen von übermäßigem Alkoholkonsum.   

Zwei Anläufe bereits gescheitert

Ob die Pläne im Europäischen Parlament eine Mehrheit bekommen werden, ist unklar. Schon 2006 und 2015 gab es Anläufe dieser Art - beide scheiterten. Auch dieses Mal sind die Meinungen der Fraktionen geteilt. Christine Schneider, CDU-Abgeordnete im Europäischen Parlament, hält nichts von Warnhinweisen, hat sogar Unterschriften dagegen gesammelt: "Ich glaube, dass wir in der Diskussion - und das ist mein Ansinnen - viel stärker auch differenzieren müssen zwischen einem moderaten Weingenuss und Alkoholmissbrauch beziehungsweise einem schädlichen Alkoholgenuss."

Das sieht Jutta Paulus, Mitglied des Europäischen Parlaments für die Fraktion Die Grünen/EFA aus Rheinland-Pfalz, ganz anders. Sie war selbst Mitglied in dem Sonderausschuss zur Krebsbekämpfung und ist überzeugt davon, dass dessen Pläne den Gesundheitsschutz stärken und das Parlament ihnen kommende Woche zustimmt: "Ich glaube, dass es sinnvoll ist, bei allen alkoholischen Getränken, die auch wirklich Rausch auslösend sind, darauf hinzuweisen, dass hier eine Suchtgefahr besteht."

Sollte das EU-Parlament dem Abschlussbericht zum Maßnahmenpaket zur Krebsprävention "Beating Cancer Plans" am kommenden Dienstag zustimmen, folgt noch ein langer, formaler Weg. Die Kommission will dann nächstes Jahr einen entsprechenden Entwurf vorlegen. Das folgende Gesetzesverfahren dürfte dann nicht vor 2024 abgeschlossen sein. Ob sich Kunden und Kundinnen dann am Ende von einem Hinweis auf der Rückseite einer Weinflasche beeinflussen lassen, wird sich erst danach zeigen.

Quelle: https://www.tagesschau.de/

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