Neufassung der AVV Rahmenüberwachung - Weiteres Potenzial zur Optimierung der amtlichen Lebensmittelüberwachung

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Weiteres Potenzial zur Optimierung der amtlichen Lebensmittelüberwachung

Mit der seit Ende Januar 2021 erfolgten Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Rahmenüberwachung (AVV RÜb) wurden die Regelkontrollfristen für viele Unternehmen verringert. Der neue Punkteschlüssel der AVV RÜb führt dazu, dass alle Betriebe mit einer Kontrollhäufigkeit von mehr als einer Routinekontrolle im Jahr (Risikoklassen 1-5) automatisch und ohne eigenes Zutun eine Stufe nach oben rutschen. Damit werden auch Gaststätten und Imbissbetriebe, in denen viele Verstöße festgestellt werden, seltener planmäßig kontrolliert werden. Auch Lebensmittelunternehmer, die sich vorschriftsmäßig verhalten, umfassende Eigenkontrollkonzepte etabliert haben, diese auch gelebte Praxis im
Unternehmen sind und die sich zudem noch Kontrollen durch Dritte (ggf. mit Zertifizierungen) unterziehen, werden vom neuen Punkteschlüssel profitieren und die amtliche Lebensmittelüberwachung noch seltener als bisher in ihrem Unternehmen haben. Damit frei werdende Kontrollkapazitäten sollen auf die auffälligen Betriebe verlagert werden, um diese mit entsprechendem behördlichem Nachdruck auf den rechten Weg zu verhelfen. Dieser viel gepriesene Ansatz ist sicher sinnvoll, aber nicht neu. Schon mit der alten AVV RÜb wurden vorbildliche Lebensmittelunternehmer mit einem weiter gefassten Kontrollzyklus belohnt. Problembetriebe wurden entsprechend schlechter bewertet und bei hygienischen Missständen erfolgten kostenpflichtigen Nachkontrollen bis dato zeitnah – anders wäre es im Sinne des gesundheitlichen Verbraucherschutzes auch nicht vertretbar gewesen. Der BVLK sieht in den zukünftigen Regelungen eine Schwächung der amtlichen Lebensmittelüberwachung.

Verstöße gegen geltendes Recht wurden und werden auch künftig nur bei Kontrollen vor Ort festgestellt. Und Kontrolldruck erhöht bekanntermaßen den Anreiz, sich rechtskonform zu verhalten, siehe zum Beispiel Geschwindigkeitskontrollen. In diesem Sinne wäre es zielführender gewesen, eine adäquate und dem schon immer geltenden „risikobasierten“ Ansatz entsprechende personelle und technische Ausstattung der einzelnen Ämter für die amtliche Lebensmittelüberwachung zu garantieren/zu gewährleisten.

Die AVV RÜb war von Anbeginn ein Instrument für die Bundesländer, ihren Personalmangel im Bereich der amtlichen Lebensmittelüberwachung entsprechend zu verwalten. Dies bleibt es auch mit der neuen AVV RÜb so und das auf Kosten des gesundheitlichen Verbraucherschutzes. Eine Verringerung der Kontrollhäufigkeit sollte jedoch immer das Ergebnis  einer guten Unternehmerleistung und nicht der Kassenlage der öffentlichen Hand geschuldet sein.

 

Bessere Vernetzung und Digitalisierung aller relevanten Kontrollbehörden auf  Landes-, Bundes- und europäischer Ebene

Nichts ist so international wie die Lebensmittelversorgung, und gleichzeitig ist nichts so lokal wie die derzeitige amtliche Lebensmittelüberwachung in Deutschland. Gesundheitlicher Verbraucherschutz ist ein Teil der Fürsorgepflicht des Staates gegenüber den Bürgern. Es ist seine Aufgabe, die Verbraucher vor Gesundheitsgefahren durch Lebensmittel, Bedarfsgegenstände, Tabakerzeugnisse und kosmetische Mittel zu schützen. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Vernetzung aller Kontrollbehörden voranzutreiben und deren Handlungsfähigkeit durch entsprechende Möglichkeiten der Kommunikation bzw. des Datenaustauschs bundesweit, aber auch europaweit immer weiter zu optimieren. Im internen wie im externen Bereich (Landes- und Bundesebene) werden funktionierende Kommunikationsplattformen benötigt, die auch über die Bundesebene hinaus dem weltweiten Handel mit Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen etc. gerecht werden. Die vorhandenen Systeme müssen dringend miteinander vernetzt werden. Hierzu ist der Beschlussder Verbraucherschutzministerkonferenz 2021 vollständig umzusetzen. Die Umstellung von papiergebundenen Aufzeichnungen auf elektronische Dokumentationen bringt eine Vielzahl an Veränderungen mit sich. Diese müssen von allen Beteiligten proaktiv begleitet werden. Hierzu gehört die entsprechende
technische Ausstattung der Lebensmittelkontrolleure ebenso wie die Schaffung der entsprechenden Infrastruktur. Die Corona-Pandemie hat einen Nachholbedarf bei der Digitalisierung aufgezeigt, dies bestätigt u. a. der im Mai 2021 vom Normenkontrollrat veröffentlichte Monitor „Digitale Verwaltung“.

Folgende Schwerpunkte sollten daher berücksichtigt werden:

  • digitale Bereitstellung von bürgerorientierten
    Services, z. B. Bürgerbeschwerden,
  • Nutzung digitaler Technologien zur Verbesserung
    von Verwaltungsprozessen und -abläufen,
    hierzu gehört auch die Nutzung geeigneter Endgeräte,
    Druckertechnik sowie Software zur Erfassung
    von Betriebsbesuchen und Probenahmen,
  • Implementierung einer flexiblen, sicheren und
    zukunftsfähigen IT-Infrastruktur,
  • aktive Förderung des kulturellen Wandels innerhalb
    des Verwaltungsapparats.

 

Transparenz der Kontrollergebnisse nur EU-weit – zumindest
jedoch bundeseinheitlich!


Der BVLK steht der Veröffentlichung der amtlichen Kontrollergebnisse nicht ablehnend, aber kritisch gegenüber. Transparenz im Rahmen der Verbraucherinformation stellt ein Grundbedürfnis dar, dem angemessen Rechnung zu tragen ist. Der BVLK trägt hierbei jedoch keinen Flickenteppich von unterschiedlichen Transparenzsystemen in Deutschland
mit, der durch die Initiativen in verschiedenen Bundesländern zwangsläufig entstehen wird. Jüngstes Beispiel sind die Initiativen des Bezirkes in Berlin-Pankow und das Anfang Juni 2021 beschlossene „Saubere-Küchen-Gesetz“ des Landes Berlin. Unterschiedliche Modelle der Veröffentlichung von Kontrollergebnissen führen weder zu mehr Transparenz, noch würden sie das Vertrauen in die staatliche Daseinsvorsorge bzw. amtliche Lebensmittelüberwachung stärken. Aus Sicht des BVLK führt nur ein bundeseinheitliches, wenn nicht sogar ein in der gesamten EU geltendes Modell, das für alle relevanten Branchen gleichermaßen gilt, zu einem deutlichen Mehrgewinn in Sachen Verbraucherinformation und Verbraucherschutz. Dies setzt auch den gleichzeitigen Beginn eines Transparenzsystems voraus. Die Information der Verbraucher über Kontrollergebnisse darf nicht an Landesgrenzen enden. Ebenso muss für Lebensmittelunternehmer, die länderübergreifend tätig sind, eine Gleichbehandlung gegeben sein. Zudem darf es keine Überinformation durch Information des Verbrauchers geben. Da die permanent angespannte Personalsituation in den Überwachungsbehörden vor Ort eine flächendeckende und alle relevanten Branchen betreffende
risikoorientierte Überwachung nicht zulässt, schätzt der BVLK die Umsetzung eines jeglichen Transparenzmodells oder auch einer anderen amtlichen Bewertung von Kontrollergebnissen derzeit als wenig praktikabel ein. (2019 wurden laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit – BVL bundesweit nur knapp 42 % der notwendigen Kontrollen durchgeführt; Tendenz weiter sinkend).

Festschreiben von Qualifikationsanforderungen für dieGastronomie sowie sprachlicher Mindestanforderungen an nicht-deutschsprachige Lebensmittelunternehmer


Dem Jahresbericht des BVL ist regelmäßig zu entnehmen, dass Beanstandungen im Bereich der allgemeinen Betriebshygiene in der Gastronomie nach wie vor die häufigste  Verstoßkategorie darstellen. Darauf folgen Mängel im Hygienemanagement der Betriebe (HACCP, betriebliche Eigenkontrolle, Dokumentation, Personalschulung). Die  Beanstandungsquoten halten sich seit Jahren auf konstantem Niveau. Zudem lassen sich zahlreiche der in Deutschland gemeldeten lebensmittelbedingten Krankheitsausbrüche auf  Hygienemängel und Fehler im Temperaturmanagement in der Gastronomie und der Gemeinschaftsverpflegung (und auch in den privaten Haushalten) zurückführen. Der BVLK  betrachtet die fehlenden Qualifikationsanforderungen an angehende Gastronomen als Hauptursache für diesen Umstand. Angesichts dieser allseits bekannten Situation und der  Tatsache des stetig wachsenden Trends der Außer-Haus-Verpflegung ist es nicht mehr nachvollziehbar, dass sich jedermann ohne entsprechende Qualifikation in diesem Bereich „ausleben“ darf. Dazu ist neben einer deutlichen fachlichen Aufwertung der Gaststättenunterrichtung deren Durchführung inkl. Prüfung in allen 16 Bundesländern sicherzustellen.  Viele Stakeholder, z. B. Verbraucherzentrale Bundesverband – vzbv unterstützen dieses Ansinnen. Mit Interesse verfolgt der BVLK die Bemühungen der Lebensmittelwirtschaft,  ausländische Mitbürger zu integrieren, um dem Arbeits- und Fachkräftemangel in Deutschland entgegenzuwirken. Die sprachlichen Barrieren stellen unserer Erfahrung in der  Kontrollpraxis nach häufig ein sehr großes Problem dar – nicht nur in der Verständigung des Unternehmers/ Mitarbeiters mit dem Lebensmittelkontrolleur, sondern auch in Bezug auf  das Verstehen der erteilten Auflagen, die folglich nicht umgesetzt werden, was im ungünstigsten Fall Folgen für die Lebensmittelsicherheit haben kann. Daher sollte es eine  sprachliche Grundqualifikation in der deutschen Sprache für nicht-deutschsprachige Lebensmittelunternehmer und Mitarbeiter in Lebensmittelunternehmen geben. Neben einer  Personalentwicklung unter Berücksichtigung der Altersstruktur und den Aufgaben angemessene Vergütung/Besoldung sollten auch alle Lebensmittelkontrolleure in allen  Bundesländern zu Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft ernannt werden. Bereits in fünf von 16 Bundesländern (wurde „Kontrollpersonal im Außendienst“, das mit der  amtlichen Lebensmittelüberwachung beschäftigt ist und eine Schulungsmaßnahme zur Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft absolviert hat, zu Ermittlungspersonen der  Staatsanwaltschaft ernannt. Die Ermittlungspersonen werden befugt, solche strafprozessualen Maßnahmen anzuordnen, die bei Gefahr im Verzug erforderlich sind, z. B.  Beschlagnahme von Beweismitteln, Durchsuchung beim Verdächtigen und Unverdächtigen.

Fazit

Die Anzahl der „Problembetriebe“ dürfte nun steigen. Die in der novellierten AVV  RÜb benannten anlassbezogenen Kontrollen ergeben sich bei Verstößen, die bei den routinemäßigen Kontrollen festgestellt werden und sind kein neues „Instrument“. Insbesondere durch eine bessere Vernetzung sowie Digitalisierung aller relevanten Kontrollbehörden auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene kann die amtliche Lebensmittelüberwachung stärken.

Autoren

Anja Tittes, seit 1994 Lebensmittelkontrolleurin, seit 1998 stellv. Vorsitzende im Landesverband Sachsen, 2006–2014 stellv. Bundesvorsitzende, seit 2014  Bundesvorsitzende

 

Maik Maschke, seit 2003 Lebensmittelkontrolleur, seit 2004 Vorstandsmitglied im Landesverband Sachsen,
2007-2018 Beauftragter des BVLK (Homepage, Fachjournal „Der Lebensmittelkontrolleur“), seit 2018 stellv. Bundesvorsitzender


Kontakt
Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure
Deutschlands e. V.
Postfach 10 00 56
01552 Großenhain
www.bvlk.de

HIER gibt es den gesamten Artikel als .pdf

Quellen: BVLK e.V. und https://www.gdch.de/BVLK

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