Mehrheit der Verbraucher will verpflichtende Kennzeichnung für GVO-Lebensmittel

 

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Eine Mehrheit der europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher wünscht sich eine verpflichtende Kennzeichnung von Lebensmitteln, die gentechnisch veränderte Pflanzen enthalten, zeigt eine aktuelle Studie. Seitens der Industrie wird jedoch betont, dass dies in der Praxis nicht umsetzbar sei.

Für den Bericht, der von der Fraktion der Grünen/EFA im Europäischen Parlament in Auftrag gegeben und vom Meinungsforschungsinstitut Ipsos durchgeführt wurde, wurden zwischen Februar und März dieses Jahres rund 1.000 Personen in allen 27 EU-Mitgliedsstaaten befragt.

Ziel war es, ihr Verständnis und ihre Einstellung gegenüber gentechnisch veränderten Nutzpflanzen zu ermitteln. Dazu gehörten sowohl „konventionelle“ gentechnisch veränderte Organismen (GVO), bei denen ein Gentransfer zwischen verschiedenen Arten stattfindet, als auch genetisch veränderte Nutzpflanzen, die mit neuen Verfahren wie CRISPR erzeugt wurden.

Die Studie ergab, dass sich von denjenigen Menschen, die von konventionellen Gen-Technologien gehört haben, 86 Prozent für eine Kennzeichnung von Lebensmitteln aussprechen, wenn diese GVO enthalten. 68 Prozent der Befragten, die von neueren gentechnischen Verfahren gehört haben, möchten außerdem, dass auch diese klar gekennzeichnet werden.

Dabei zeigte sich außerdem: Während 78 Prozent der Befragten schon einmal grundsätzlich von gentechnisch veränderten Pflanzen gehört haben, gaben im Durchschnitt aller EU-Mitgliedsstaaten nur 40 Prozent an, bereits von „gen-editierten Pflanzen“ gehört zu haben.

Nach derzeitigem Stand der EU-Gesetzgebung müssen GVO-Lebensmittel deutlich gekennzeichnet werden. Bei verpackten gentechnisch veränderten Lebens- oder Futtermitteln muss in der Zutatenliste „gentechnisch verändert“ oder „hergestellt aus gentechnisch verändertem [Name des Organismus]“ angegeben werden, während bei nicht verpackten Produkten ein Hinweis in der unmittelbaren Nähe des Produktangebots erforderlich ist.

Erzeugnisse von Tieren, die mit GVO-Pflanzen gefüttert wurden, sind bisher hingegen von der Kennzeichnung ausgenommen.

Wie umgehen mit Gen-Editierung?

Die jüngste Umfrage könnte ein weiterer Beitrag in einer hitzigen Debatte über die Zukunft der Geneditierungstechnologien werden. Zuvor war im Jahr 2018 in einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs festgestellt worden, dass alle gentechnisch veränderten Pflanzen prinzipiell unter die GVO-Richtlinie der EU fallen.

Dieses Urteil ist seitdem jedoch heftig umstritten, wobei Akteure aus der Industrie darauf drängen, die Entscheidung zu revidieren, um mit neuen Technologien gen-editierte Pflanzen aus dem Geltungsbereich der GVO-Vorschriften auszuklammern. Dies würde dann auch die Kennzeichnungsregeln auf Lebens- und Futtermitteln betreffen.

Die Grünen warnen hingegen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher damit ihres Rechts beraubt würden, zu wissen, wie ihre Lebensmittel hergestellt werden. Faktisch habe man dann „keine Möglichkeit mehr, gentechnisch veränderte Lebensmittel zu vermeiden“.

Ein von EURACTIV kontaktierter Kommissionsbeamter erklärte dazu, der nächste Schritt der EU-Exekutive werde die Veröffentlichung einer Studie über neue Genom-Techniken sein, die die Rechtslage angesichts des Gerichtsurteils von 2018 klären solle. Darin würden dann auch Fragen wie Kennzeichnungen und Wahrnehmung der Endverbraucher behandelt.

Die Studie der Kommission wird voraussichtlich Ende April veröffentlicht.

Französischer Gerichtshof: Mutagenese-Techniken müssen der GVO-Regulierung unterliegen

Die französische Regierung wurde angewiesen, ihre Politik in Bezug auf Pflanzen, die mit Hilfe einer neuen Pflanzenzüchtungstechnik (NPBT), der sogenannten Mutagenese, entwickelt wurden, anzupassen.

Martin Häusling, der agrarpolitische Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im EU-Parlament, forderte diesbezüglich, die Kommission müsse „den Willen der Verbraucherinnen und Verbraucher respektieren und sicherstellen, dass die bestehenden Regeln angewandt werden: Auch Produkte von Tieren, die mit GVO – einschließlich neuer Methoden in der Gentechnik – gefüttert wurden, müssen entsprechend gekennzeichnet werden.“

Häusling erklärte weiter: „Wir fordern, dass für alle Arten von gentechnisch veränderten Organismen die gleichen Regeln für die Zulassung und Kennzeichnung gelten.“ Dies sei eine Frage des Verbraucherschutzes, der Wahlfreiheit und der Transparenz darüber, „ob unsere Lebensmittel mit Gentechnik hergestellt wurden, seien es alte oder neue Methoden“.

Auf Nachfrage von EURACTIV wollte sich die EU-Verbrauchergruppe BEUC zu diesem Thema nicht direkt äußern.

In ihrem Positionspapier zur europäischen „Farm to Fork“ Strategie – die die potenzielle Rolle „innovativer Techniken, einschließlich der Biotechnologie,“ bei der Steigerung der Nachhaltigkeit der Lebensmittelproduktion hervorhebt – betont die Organisation jedoch, dass „die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von Produkten, die mit diesen [Gen-Editierungs]Techniken hergestellt wurden, das Recht der Verbraucher auf Wissen und Wahlfreiheit garantieren muss.“

Eine fehlende Kennzeichnung derartiger Produkte berge darüber hinaus das Risiko, „das Vertrauen der Verbraucher in Bio-Lebensmittel zu untergraben“. Dies würde auch dem übergeordneten Ziel der F2F-Strategie zuwiderlaufen, die Produktion und den Konsum von Bioprodukten in der EU zu fördern.

Gentechnik: „Nichts von dem, was wir essen, ist natürlich“

Die Menschheit braucht immer mehr Lebensmittel. Abhilfe schaffen sollen neue Methoden der Gentechnik wie die CRISPR-Genschere. Diese sind jedoch umstritten.

Angesprochen auf die tatsächliche Umsetzung und Durchführbarkeit einer möglichen Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln erklärte der EU-Saatgutverband Euroseeds gegenüber EURACTIV.com, ihm seien „keine praktikablen Strategien bekannt, die zur eindeutigen Identifizierung von konventionell-ähnlichen Gen-Editing-Produkten eingesetzt werden könnten, wenn solche Produkte Teil der Warenströme sind.“

Garlich von Essen, der Generalsekretär des Verbands, betonte, dass gewisse Veränderungen im Genom auch auf natürliche Weise oder durch konventionelle Züchtungsmethoden entstehen können: „Da wir der Meinung sind, dass es sich bei diesen Produkten nicht um Transgene handelt und sie sich somit grundlegend von Produkten, die unter die GVO-Richtlinie fallen, unterscheiden und nicht als solche reguliert werden sollten, sehen wir keinen Sinn und keine Rechtfertigung dafür, entsprechende konventionell-ähnliche Genome-Editing-Pflanzensorten unter die Kennzeichnungspflicht der aktuellen GVO-Richtlinie zu stellen.“

Seiner Ansicht nach könne dies zu einer „diskriminierenden Situation“ für gewisse Produkte führen.

[HINWEIS: Dies ist eine gekürzte Übersetzung. Den kompletten Artikel im englischen Original finden Sie hier. Bearbeitet von Benjamin Fox und Tim Steins]

Quelle:

https://www.euractiv.de/

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