Kommission legt Weißbuch zur Zukunft Europas vor: Wege zur Wahrung der Einheit in der EU27

Wie Präsident Juncker in seiner Rede zur Lage der Union im Jahr 2016 angekündigt hat, legt die Europäische Kommission am 01.03.2017 ein Weißbuch zur Zukunft Europas vor - ihr Beitrag zum Gipfel am 25. März 2017 in Rom. Mit dem bevorstehenden 60. Jubiläum der EU blicken wir auf sieben Jahrzehnte Frieden zurück und schauen auf eine erweiterte Union mit 500 Millionen Bürgern, die in Freiheit in einer der Regionen mit dem größten Wohlstand der Welt leben. Gleichzeitig muss die EU nach vorne blicken und darüber nachdenken, welche Vision sie sich für ihre Zukunft mit 27 Mitgliedstaaten geben will. Das Weißbuch setzt sich mit den größten Herausforderungen und Chancen für Europa in den nächsten zehn Jahren auseinander. In fünf Szenarien wird skizziert, wo die Union 2025 stehen könnte – je nachdem, welchen Kurs sie einschlägt.

(01.03.2017) – Der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, erklärte hierzu: „Vor 60 Jahren haben die Gründerväter der EU beschlossen, den Kontinent mit der Macht des Rechts und nicht durch den Gebrauch von Waffen zu einen. Wir können stolz auf das sein, was wir seitdem erreicht haben. Selbst unser dunkelster Tag in 2017 wird heller sein als jeder Tag, den unsere Vorväter auf den Schlachtfeldern verbracht haben. Zum 60-jährigen Jubiläum der Römischen Verträge gilt es, für ein geeintes Europa der 27 eine Vision für die Zukunft zu entwickeln. In diesen Zeiten sind Führungsstärke, Einheit und gemeinsamer Wille gefragt. Im Weißbuch der Kommission werden verschiedene Wege skizziert, die dieses geeinte Europa der 27 künftig einschlagen könnte. Das ist der Beginn und nicht das Ende eines Prozesses, und ich hoffe nun auf eine ehrliche und umfassende Debatte. Die Form wird dann der Funktion folgen. Die Zukunft Europas liegt in unserer Hand.“

Im Weißbuch wird der Frage nachgegangen, wie Europa sich in den nächsten zehn Jahren verändern wird; von den Auswirkungen neuer Technologien auf Gesellschaft und Beschäftigung, über Bedenken hinsichtlich der Globalisierung, bis hin zu Sicherheitsfragen und dem zunehmenden Populismus. Das Weißbuch macht deutlich, vor welcher Wahl wir stehen: Entweder werden wir von solchen Entwicklungen überrollt oder wir stellen uns ihnen und ergreifen die neuen Chancen, die sie mit sich bringen. Europas Bevölkerung und wirtschaftliches Gewicht schrumpfen, während andere Teile der Welt wachsen. Im Jahr 2060 entfällt auf jeden einzelnen EU-Mitgliedstaat ein Anteil von weniger als 1 Prozent an der Weltbevölkerung – ein guter Grund, zusammenzuhalten, um auf diese Weise mehr zu erreichen. Europa ist eine positive globale Kraft. Sein Wohlstand ist nach wie vor von der Öffnung und von starken Beziehungen zu seinen Partnern abhängig.

Im Weißbuch werden fünf Szenarien beschrieben; jedes einzelne bietet einen Ausblick, wo die Union im Jahr 2025 stehen könnte – je nachdem, welchen Kurs Europa einschlägt. Die Szenarien decken verschiedene Möglichkeiten ab und dienen der Veranschaulichung. Sie schließen sich daher weder gegenseitig aus, noch sind sie erschöpfend.

• Szenario 1: Weiter so wie bisher - Die EU27 konzentriert sich auf die Umsetzung ihrer positiven Reformagenda entsprechend den Politischen Leitlinien der Kommission „Ein neuer Start für Europa“ von 2014 und der von allen 27 Mitgliedstaaten im Jahr 2016 angenommenen Erklärung von Bratislava. Im Jahr 2025 könnte dies zum Beispiel bedeuten:

- Europäerinnen und Europäer können sich in selbst fahrenden, vernetzten Fahrzeugen fortbewegen, stoßen aber aufgrund ungelöster rechtlicher und technischer Hindernisse an den Grenzübergängen möglicherweise auf Probleme.

- Europäerinnen und Europäer passieren Grenzen fast immer, ohne wegen Kontrollen anhalten zu müssen. Verschärfte Sicherheitskontrollen machen das sehr frühzeitige Erscheinen am Flughafen bzw. Bahnhof erforderlich.

• Szenario 2: Schwerpunkt Binnenmarkt – Die EU27 konzentriert sich wieder auf den Binnenmarkt, da die 27 Mitgliedstaaten in immer mehr Politikbereichen nicht in der Lage sind, eine gemeinsamen Haltung zu finden. Im Jahr 2025 könnte dies bedeuten:

- Regelmäßige Kontrollen an den Binnengrenzen behindern Handel und Tourismus. Einen Arbeitsplatz im Ausland zu finden wird ebenfalls schwieriger, und die Übertragung von Pensionsansprüchen in einen anderen Mitgliedstaat ist keine Selbstverständlichkeit. Wer im Ausland krank wird, muss mit hohen Behandlungskosten rechnen.

- Die Europäer halten sich aufgrund des Mangels an EU-weiten Regeln und technischen Standards bei der Nutzung vernetzter Fahrzeuge eher zurück.

• Szenario 3: Wer mehr will, tut mehr – Die EU27 Union verfährt weiter wie bisher, gestattet jedoch interessierten Mitgliedstaaten, sich zusammenzutun, um in bestimmten Politikbereichen wie Verteidigung, innerer Sicherheit oder Sozialem gemeinsam voranzuschreiten. Es entstehen eine oder mehrere „Koalitionen der Willigen“. Im Jahr 2025 könnte dies bedeuten:

- 15 Mitgliedstaaten richten ein Korps aus Polizeibeamten und Staatsanwälten ein, das bei grenzüberschreitender krimineller Aktivität ermittelt. Sicherheitsrelevante Informationen werden unmittelbar weitergegeben, da nationale Datenbanken vollständig miteinander verknüpft sind.

- In zwölf Mitgliedstaaten, die eine Harmonisierung der Haftungsregeln und technischen Standards vereinbart haben, werden vernetzte Fahrzeuge in großem Umfang genutzt.

• Szenario 4: Weniger, aber effizienter – Die EU27 konzentriert sich darauf, in ausgewählten Bereichen rascher mehr Ergebnisse zu erzielen, und überlässt andere Tätigkeitsbereiche den Mitgliedstaaten. Aufmerksamkeit und begrenzte Ressourcen werden auf ausgewählte Bereiche gerichtet. Im Jahr 2025 könnte dies bedeuten:

- Eine europäische Telekom-Behörde ist befugt, Funkfrequenzen für grenzüberschreitende Kommunikationsdienste freizugeben, wie sie beispielsweise für die ungehinderte Nutzung vernetzter Fahrzeuge erforderlich sind. Sie schützt außerdem die Rechte von Internet- und Mobiltelefonnutzern unabhängig von deren Aufenthaltsort in der EU.
- Eine neue europäische Agentur zur Terrorismusbekämpfung trägt mit der systematischen Beobachtung und Identifizierung Verdächtiger zur Verhinderung und Prävention schwerer Anschläge bei.

• Szenario 5: Viel mehr gemeinsames Handeln – Die Mitgliedstaaten beschließen, mehr Kompetenzen und Ressourcen zu teilen und Entscheidungen gemeinsam zu treffen. Auf EU-Ebene werden rascher Entscheidungen getroffen, die zügig umgesetzt werden. Im Jahr 2025 könnte dies bedeuten:

- Europäische Bürgerinnen und Bürger, die sich über ein Vorhaben für ein EU-finanziertes Windkraftanlagenprojekt in ihrer Region beschweren wollen, haben Schwierigkeiten, die richtige Behörde zu erreichen, da sie an die zuständige europäische Stelle verwiesen werden.

- Dank klarer EU-weiter Regeln können vernetzte Fahrzeuge ungehindert in ganz Europa unterwegs sein. Fahrerinnen und Fahrer können sich darauf verlassen, dass eine EU-Agentur die Regeln durchsetzt.

Nächste Schritte

Das Weißbuch ist der Beitrag der Europäischen Kommission zum Gipfel in Rom, auf dem die EU ihre Errungenschaften der vergangenen 60 Jahre, aber auch ihre Zukunft als EU der 27 erörtern wird. Das Weißbuch soll am Anfang eines Prozesses stehen, in dessen Rahmen die EU27 die Weichen für die Zukunft der Union stellt. Um diesen Prozess zu unterstützen, wird die Europäische Kommission zusammen mit dem Europäischen Parlament und interessierten Mitgliedstaaten eine Reihe von Diskussionsrunden zur Zukunft Europas in europäischen Städten und Regionen veranstalten.

Die Europäische Kommission wird diese Gespräche in den kommenden Monaten durch verschiedene Diskussionspapiere ergänzen, etwa

  • zur Entwicklung der sozialen Dimension Europas;
  • zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion auf der Grundlage des Berichts der fünf Präsidenten vom Juni 2015;
  • zu den Chancen der Globalisierung;
  • zur Zukunft der europäischen Verteidigung;
  • und zur Zukunft der EU-Finanzen.

Wie das Weißbuch werden diese Diskussionspapiere verschiedene Ideen, Vorschläge, Optionen oder Szenarien für Europa im Jahr 2025 bieten, ohne in dieser Phase endgültige Beschlüsse zu präsentieren.

In der Rede Präsident Junckers zur Lage der Union im September 2017 werden diese Ideen weiterentwickelt, bevor auf dem Treffen des Europäischen Rates im Dezember 2017 erste Schlussfolgerungen gezogen werden könnten. Dies wird dazu beitragen, frühzeitig vor der Wahl zum Europäischen Parlament im Juni 2019 das weitere Vorgehen festzulegen.

Hintergrund

Den Traum einer friedlichen, gemeinsamen Zukunft vor Augen, haben die Gründungsmitglieder der EU vor sechzig Jahren mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge den Grundstein für ein ehrgeiziges europäisches Integrationsprojekt gelegt. Sie kamen überein, ihre Konflikte lieber am Verhandlungstisch als auf dem Schlachtfeld zu lösen. Die schmerzvollen Erfahrungen der dunklen Vergangenheit Europas sind somit sieben Jahrzehnten des Friedens in einer Union mit 500 Millionen Bürgerinnen und Bürgern gewichen, die in Freiheit leben und in einem der weltweit wohlhabendsten Wirtschaftsräume Chancen nutzen können.

Der 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge am 25. März 2017 ist für die Staats- und Regierungschefs der EU27 ein wichtiger Anlass, um zu sehen, wo unser europäisches Projekt steht. Es gilt nun, Errungenschaften und Stärken in die Waagschale zu werfen, über diejenigen Bereiche nachzudenken, in denen weitere Verbesserungen erforderlich sind, und gemeinsamen Willen zu zeigen, eine bessere gemeinsame Zukunft mit 27 Mitgliedstaaten zu gestalten.

Wie Präsident Juncker am 14. September 2016 in seiner Rede zur Lage der Union, die die Staats- und Regierungschefs der EU27 auf dem Gipfel in Bratislava vom 16. September 2016 ausdrücklich begrüßt haben, angekündigt hat, legt die Kommission heute ein Weißbuch zur Zukunft Europas vor. Dieses soll im Vorfeld des Gipfels in Rom eine Debatte anstoßen.

Das Weißbuch wird den 27 Staats- und Regierungschefs bei ihrer Debatte als Leitfaden dienen und dabei helfen, die Gespräche beim Gipfeltreffen in Rom und darüber hinaus zu strukturieren. Es ist zudem der Ausgangspunkt einer breiteren öffentlichen Debatte über die Zukunft unseres Kontinents.

Weitere Informationen:

Weißbuch der Europäischen Kommission zur Zukunft Europas

Website: Die EU mit 60

Die Europäische Geschichte: 60 Jahre gemeinsamer Fortschritte

Präsident Junckers Rede zur Lage der Union aus dem Jahr 2016: Hin zu einem besseren Europa – einem Europa, das schützt, stärkt und verteidigt

Quelle:

Newsletter der EU-Kommission

Pressekontakt: Reinhard Hönighaus, Tel.: +49 (30) 2280-2300

Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet das Team des Besucherzentrums ERLEBNIS EUROPA per E-Mail oder telefonisch unter (030) 2280 2900.

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